Ins linke Licht gerrückt

Statistiken. Kaum ein anderes mathematisches Ergebnis sorgt so gut für seine Auftraggeber und gibt ihnen Recht. Denn man kann sie so herum oder andersherum auslegen, von unten oder von oben betrachten, von links oder rechts anfangen zu zählen, die ganz guten und die ganz schlechten Ergebnisse streichen, oder alles gelten lassen oder eben gleich das Negative ins Positive umschreiben. Am Ende hat jeder das gewünschte Ergebnis und kann so ziemlich alles rechtfertigen. Schauen Sie doch in die Statistik, da haben Sie den Beweis, heißt es dann. Und alle nicken und klatschen und freuen sich. Oder klopfen sich selbst auf die Schulter.

Berlin brennt, Berlins ist heiß, fest in der Hand der linken Gewalt. Hier fackelt ein Auto, da fliegt ein Stein. Der linke Hass ist so groß wie vorher. Das beweisen, nicht zuletzt, die Statistiken. Ein Parlamentarier aus Neukölln wollte es nun genau wissen. Er fragte an, wie viele links motivierte und wie viele rechts motivierte Straftaten es 2010 im Bezirk gegeben hat. Die Antwort kam, angefügt die Statistik. Diese belegt wie kaum eine andere, wie Statistik funktioniert. In Berlin. Sie ist geordnet nach linken und nach rechten und nach sonstigen politisch motivierten Straftaten. Also so, wie es der oder diejenige ein geordnet hat, die oder der es eingeordnet hat. Nichts verstanden? Kein Problem, es folgen einige Beispiele aus der Neuköllner Polizeistatistik.

16. Oktober 2010, 15.20 Uhr (Tatzeit): Ca. 15 Personen liefen durch die McDonalds Filiale und spielten dabei lautstarke Musik, aus einer mitgeführten Musikanlage, ab. Na, erraten? Richtig! Linke Straftat.

23. September 2010 9.00 Uhr: Unbekannte bewarfen die Schaufensterscheiben des Quartiersmanagement Reuterplatz mit unbekannten Gegenständen. Na? Richtig. Linke Straftat.

9. September 2010, 11.35 Uhr: Eine Gruppe demonstrierte auf dem Gehweg vor dem Jobcenter. Eine männliche Person hielt ein Plakat, auf welchem die Namen von Mitarbeitern des Jobcenters vermerkt waren, drei weitere Personen verteilten Handschriften. Jetzt wird´s schwer, oder? Linke Straftat.

11. Juli 2010, 23.30 Uhr: Ca. 50 Personen führten eine Demonstration ohne Anmeldung durch. Klar, das machen keine Rechten. Linke Straftat.

29. Oktober, 13.15 Uhr: In der Moschee des Tekke-i Kadiriyye Mescidi e.V. erscheinen immer wieder Personen die versuchen, Mitglieder für die Weltanschauungen der verbotenen Hizb ut Tahrir zu begeistern. Na? Logo, linke Straftat.

14. Juni 2010, 2.15 Uhr: Unbekannte Tätergruppe entwendet eine am Spätkaufladen angebrachte Deutschlandfahne. Wer nun denkt, für den nächsten Nazi-Aufmarsch, denkt falsch. Linke Straftat.

8. Mai 2010, 14.10 Uhr: Im Rahmen der Eröffnung des Tempelhofer Feldes konnten drei Personen beobachtet werden, welche ein Transparent und 2 Thermokübel mit sich führten. Linke Straftat.

3. Januar 2010, 11.30 Uhr: Der Geschädigte ist jüdischen Glaubens, daher kam es vermehrt zu Streitigkeiten mit antisemitischem Inhalt zwischen ihm und dem Beschuldigten arabischer Herkunft. Eindeutig, oder? Steht aber unter: Linke Straftat.

12. Januar 2010: Eine unbekannte Person klingelte nach Angabe des Anzeigenden an der Haustür der Geschädigten und äußerte auf deutsch mit arabischen Akzent: Hier ist die Hizb Allah, wir wissen, was ihr tut. Richtig geraten. Linke Straftat.

Es wird aber noch besser. Unter „sonstige motivierte Straftaten“ werden all jene erfasst, welche die zuständigen Bearbeiter nicht zuordnen konnten. Kann man verstehen. Manche Straftaten kann man einfach nicht zuordnen. Wie diese hier:

7. März 2010, 4.40 Uhr: im Verlauf einer Streitigkeit soll der Beschuldigte den rechten Arm zum Hitlergruß gehoben und laut „Heil Hitler“ gerufen haben. Sonstige Straftat.

3. Juni 2010, 0.30 Uhr: Anlässlich eines Hausfriedensbruchs im Hotel „Estrel“ leistete der Beschuldigte Widerstand. Dabei äußerte er mehrfach „Sieg Heil“. Sonstige Straftat.

14. Oktober 2010, 12.10 Uhr: Der Beschuldigte befand sich in Begleitung dreier Personen und rief dreimal laut die Worte „Sieg heil“ und zeigte dabei den Deutschen Gruß. Sonstige Straftat.

Alles klar? Na dann ist ja gut.

17 Kommentare zu “Ins linke Licht gerrückt

  1. Pingback: Warum man “Heil Hitler” nicht zuordnen kann oder will | berlinpankowblogger

  2. Danke für die vielen Links, aber es scheint damit nicht zu funktionieren. Ich bekomme nur leere Seiten und 404 Fehler. Nur, wenn man sich wie beschrieben durchs Menü klickt und die Suche selbst ausführt, bekommt man ein Ergebnis.

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  3. Bei den „rechten“ Straftaten handelt es sich allerdings auch eher um „Gedankenverbrechen“ wie Propagandadelikte usw….also was eiegtnlich keinen intressiert, ausser es handelt sich um Sachbeschädigung.

    Ob jemand Heil Hitler sagt interessiert mich nicht, wohl aber ob mein Auto noch heile ist

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  4. @Anfrager: Das ist wahrscheinlich nur der Link, der nicht funktioniert. Du musst auf berlin.de gehen, dort auf Politik/Verwaltung, dann Bezirksämter, dann Neukölln, dann Bezirksverordnetenversammlung, dann Kleine Anfragen und schon biste da.

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  5. Wieso gibt es die Anfrage nicht mehr? Kann die bitte jemand irgendwo uploaden. Auf der Bezirksseite steht sie nicht mehr?

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  6. „Am 143.08.20Blumenkohl: Irgendwo auf einer großen Straße in Berlin Mitte: Unerlaubt rechts abgebogen.“
    Das ist nun aber eindeutig. Ganz klar eine linke Straftat.
    Innenminister Friedrich wird sich darum kümern…

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  10. @mariains: Musst Du auf die Bezirkseite Neukölln gehen (www.berlin.de/ba-neukoelln), dann auf Bezirksverordnetenversammlung, dort auf Kleine Anfragen und die heißt dann Politisch motivierte Straftaten. Für ganz Berlin hab ichs noch nicht gefunden.

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  11. By the way, zu dem Angriff auf das rassistische Quartiersmanagement gibt es ein Bekennerschreiben im Netz. Das wurde auch schon mehrmals entglast.

    Selbes betrifft die große Deutschlandfahnen die sich ein Ladenbesitzer der Sonnenallee als Werbegag angeschafft hatte, das war übrigens auch das Sommerloch 2010 über in allen Zeitungen.

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