Peißnitz, Pirouette, Tischtennisplatte

Das war wohl nichts. Wollte mal wieder etwas über die eigene Jugendzeit schreiben. Da gibt es viele Erinnerungen, viele Bilder im Kopf. Und die Vorstellungen, was wohl aus diesem und jenem geworden ist. Also nicht nur Leute. Sondern auch und vor allem Orte.

Also „recherchiert“ man in der Vergangenheit. Was macht man in einem solchen Fall? Wenn man mit Rechner und Netzanschluss versorgt ist? Genau. Man gibt bei diversen Suchmaschinen diverse Suchworte ein. So hab ich das auch gemacht. Suchworte: Peißnitz, Pirouette, Tischtennisplatte.

Die Pirouette. Das war unsere erste Stammkneipe. Die meisten von uns waren 15, 16. Einer war schon älter. Mit ihm vorneweg trauten wir uns hinein, in die Pirouette. Das war nicht irgendeine Kneipe. Das war das Restaurant der Eissporthalle in Halle (wo wir jeden Mittwoch Schlittschuhlaufen waren). Dort am Gimritzer Damm, schräg gegenüber vom Stasi-Haus. In der Pirouette gab es weiße Tischdecken und Ober in Kellner-Uniformen. Mit Hemd, Weste und Fliege. Fast jeden Sonntag waren wir dort. 16 oder 17 Uhr machten die erst auf.

Herr Ries war „unser“ Kellner. Er begrüßte uns immer wie ganz alte Stammgäste, behandelte uns zuvorkommend und manchmal auch zuvor anderen. Weil wir eben ne gute Truppe waren. Und zuverlässig. Wir kamen jeden Sonntag zu Bier, Schinkenplatte, Würzfleisch und manchmal auch zu nem Kiwi, Pfeffi oder Apfelkorn. Je nach Vorhandensein von Geld.

Hinter dieser Eissporthalle führte eine kleine Brücke zur Peißnitz. Die Brücke gibt´s wahrscheinlich immer noch. Und sie führt auch immer noch zur Peißnitz. Das ist eine Insel inmitten der Saale, zwischen Halle und Haneu gelegen. Auf der einen Seite die Plattenbauten der Neustadt, auf der anderen Seite das Rive-Ufer, der Volkspark, Mühlweg- und Paulusviertel, Altstadt eben.

Und dort auf der Peißnitz standen damals Tischtennisplatten. Aus Stein. Oder Beton? Jedenfalls konnte man dort (entgegen allen ersten Vermutungen) wunderbar Tischtennis spielen. Und Skat. Sowie Karo rauchen und Bier trinken. Musik hören und Knutschen. Sich mit der Polizei anlegen und Deep Purple von einem tragbaren (eigentlich für Tonmitschnitte gebauten) Spulen-Tonbandgerät hören. Oder auch Queen und Status Quo vom Kassettenrecorder. So war das.

Aber zurück zur Suchanfrage. Gibt man Peißnitz, Pirouette und Tischtennisplatte als Suchwort ein, landet man einen einzigen Treffer: Genau diese Seite hier, also mein Blog. Unglaublich. Hatte ich doch mit mehreren hundert gerechnet. Allerdings wird es nach dieser Veröffentlichung eventuell zwei Treffer geben. Immerhin…

Wie auch immer. Reisen in die eigene Geschichte funktionieren nicht übers Internet. Jedenfalls nicht so richtig. Also hilft nur eins: Hinfahren. Hinfahren und selber gucken, was daraus geworden ist. Zu den Freunden hab ich ja glücklicherweise immer noch Kontakt. Und die Peißnitz und die Tischtennisplatten, die werde ich mir demnächst wieder einmal vor Ort ansehen. Wenn es sie noch gibt. Auf nach Halle!

8 Kommentare zu “Peißnitz, Pirouette, Tischtennisplatte

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  7. Geht mir (fast) genauso. Nur Erfurt liegt noch dazwischen. Wegen der vielen Freunde dort. Aber Halle. Schwierig es anderen beizubringen. Die nur Trotha und Ammendorf kennen. Und den Bahnhof von früher. Außerhallische kennen nicht das Paulusviertel, das Mühlwegviertel, den Biergarten gegenüber der Giebichenstein und und und

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  8. Schönste Sehnsuchts-Stadt nach Prag. Glaubt nur niemand. …und die beiden verfeindeten Bockwurst-Männer in den klassizistischen Häuschen am Saale-Ufer, von denen einer starb (und seine Witwe führte die Fehde weiter). …und die Max-Planck-Ethnologen, mit ihren primitiven Waffensammlungen, während ringsherum die Welt unterging. …und diese ewige Live-Musik am Anfang in allen Kneipen, dass man sich fast irgendeinen Billigsender einmal gewünscht hättem zur Abwechslung. …und Steckrüben-Eintopf und Cocktails. Und Orwo.

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