Kluger Hund & doofe Glatze

Sooo cool ist Berlin. Zumindest manches Mal. Heute zum Beispiel. In der S-Bahn. Friedrichstraße Richtung Pankow. Die Stimmung ist gut, die Bahn rammelvoll. Die BVG streikt. Deshalb fährt alles mit S-Bahnen. Deren Fahrer nicht streiken. Weil die ja zur Bahn und nicht zur BVG gehören. Aber egal.

In der Bahn jedenfalls viele Touristen. Direkt neben mir dem Slang nach drei Amerikaner. Dahinter eine Gruppe junger Italiener. Eine Schulklasse vielleicht. Der Rest in der Bahn sind scheinbar Berliner. Auf dem Weg nach Hause. Oder anderswo hin. Und dann steigen sie ein. Ein Deutscher Schäferhund und ein kleiner Typ (Anfang 30) mit ner Glatze. Nicht nur mit ner Glatze. Auch mit Bomberjacke, mit Armen so dick wie Fahrradspeichen, Springerstiefeln und soviel Hirn wie Haare auf dem Kopf. Das komplette Programm also.

Und Glatze hatte sich wohl Mut angetrunken. Es roch jedenfalls so. Sonst hätte er kaum angefangen zu reden. So ganz alleine mit Hund. „Janz schön viel Jesockse hier drinne. Habt ihr kein Zuhause, ihr Kalemucken?“ Niemand reagiert. Nur sein Hund. Der schaut fragend hoch. Dann wird Glatze lauter. „Janz schön viele Palemucken hier, wat“, schreit Glatze durch den Wagen. Alle drehen sich nach Glatze um. Palemucken oder Kalemucken oder was? Was will der? Doch Glatze legt noch einen hinterher: „Dürft ihr überhaupt in ner deutschen Bahn mitfahren?“ fragt er lautstark in Richtung der Amerikaner.

Als erstes reagiert nur der Hund. Der schüttelt nur den Kopf. Dann fängt es an mit Raunen. „Nu mach ma halblang und sei leise“, kommt es von irgendwo her. Aus der anderen Richtung drängelt eine Frau in Richtung Ausgang. Typ Wäschefrau, jemalt von Heinrich Zille. Als sie neben Glatze steht, sagt sie zu ihm: „Hör ma zu mein Kleena. Anne nächste Station steigste ma schön aus. Oda ick muss mir mit dir in Ruhe untahalten. Und det übalebste nich.“ Und zum Hund gewandt: „Armer Kleena. Hastes nich leicht, wa?“ Die Bahn feiert. Nur einer nicht. Glatze protestiert, aber nur leise in sich hinein. Doch es kommt noch besser.

Kurz vor dem Bahnhof Gesundbrunnen dreht sich auf einmal einer der drei Amerikaner um, hockt sich neben Glatze und streichelt den Hund. Was diesem sichtlich gefällt. Glatze natürlich nicht. Dann fragt der vermeintliche US-Tourist im besten Deutsch: „Sag mal, Hund, ist das neben dir eigentlich ein echter deutscher Neonazi?“ Der Hund guckt ihn mit großen Augen an. Und schüttelt den Kopf. Die Stimmung steigt. Glatze will noch einmal das Wort erheben, aber da gehen die Türten auf. Hund zerrt an der Leine und Glatze so aus der Bahn.

Vom Bahnsteig aus ruft Glatze noch verschiedene Sachen in Richtung Bahn. Doch Hund zieht ihn immer weiter in Richtung Ausgang. Sicher, weil er pinkeln muss. Oder weil er klüger ist. Oder beides.

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Wenn Hunde selbst entscheiden dürften, aus wessen Napf sie saufen, müsste Glatze alleine S-Bahn fahren.

8 Kommentare zu “Kluger Hund & doofe Glatze

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  7. Servus Ole,
    du kannst ja schöne Geschichten erleben.
    Mit den Öffentlichen scheint es ja mitunter bunter als auf dem Fahrrad…
    Beste Grüße
    Jensen.

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